QC goes public

September 24, 2010 Aus Von Renate Quehenberger

Artistic Research als Ästhetische Wissenschaft?

Workshop, 24./25. September 2010 Akademie Schloss Solitude im Rahmen des Programms art, science & business initiiert von Prof. Dr. Martin Tröndle in Kooperation mit der Zeppelin University, Friedrichshafen mit freundlicher Unterstützung der Wüstenrot Stiftung, Ludwigsburg

Kontext

Kunstforschung, künstlerische Forschung oder kunstbasierte Forschung sind derzeit populäre Begriffe – spekuliert werden darf jedoch, was mit ihnen gemeint sei. Verfolgt man die internationale Diskussion zu »art research«, »artistic research«, »art based research«, »research through, with, about arts«, so lassen sich zumindest drei Konzepte ausmachen:

Zum ersten wird künstlerische Forschung als eine der Werkproduktion immanente Tätigkeit angesehen, um neue Objekte oder Prozesse zur ästhetischen Rezeption und deren Verhandlung im Kunstsystem zu erzeugen. Künstlerische Forschung wäre das, was Künstler seit jeher tun, um durch Recherche und Experiment die Grenzen ihrer Disziplin zu verschieben; gleich, ob es sich um neue Notationsweisen, Materialbehandlungen oder Sinnaufladungen handelt. Künstlerische Forschung bezeichnet somit den Prozess, der »Meisterwerke« auszeichnet, nämlich exemplarisch neue Wege in der Produktion oder Rezeption von Kunst erprobt zu haben. »Kunst« wird damit spartenübergreifend als Fortschrittsgeschichte konzipiert und künstlerische Forschung als fortschrittsleitendes Prinzip verstanden – eine Konzeption, die insbesondere an den europäischen Kunsthochschulen im Rahmen der neu entstandenen Promotionsprogramme verfolgt wird.

Mit dem Schlagwort der »Verwissenschaftlichung der Kunst« lässt sich ein zweiter, aktueller künstlerisch geprägter Forschungsbegriff fassen. Gemeint sind künstlerische Arbeiten, bei denen vor allem feldforschend oder dokumentarisch vorgegangen wird und die dem Bereich der »kritischen Ästhetik« zugeordnet werden können.

Diese Definitionen sind gleichwohl wenig hilfreich, wenn es um Forschung und nicht um Kunst geht. Bei dem Workshop »Artistic Research als Ästhetische Wissenschaft?« an der Akademie Schloss Solitude soll Kunstforschung nicht per se als künstlerischer Prozess, sondern eher als »ästhetische Wissenschaft« konzipiert werden; als ein Prozess, der das spezifische Wissen und die Kompetenzen von Künstlerinnen und Künstlern nutzt, um sie in anderen Kontexten als dem Kunstsystem zur Anwendung zu bringen: Künstlerische Kompetenzen und Arbeitsweisen werden mit wissenschaftlichen verbunden, um problemorientiert neues Wissen zu generieren. Es ist kein »Forschen über Kunst«, was in den Zuständigkeitsbereich der Kunstwissenschaften fällt, noch ein »Forschen mit Kunst«, was genuin die künstlerische Produktion charakterisiert. Zentral sind vielmehr Formen der sinnlichen Erkenntnis in einem wissenschaftlichen Kontext zur Generierung neuen Wissens. Im Sinne der angestrebten Problemorientierung steht bei dem Workshop weniger die Konzeption des wissenschaftlichen Wahrheitsbegriffs zur Diskussion als vielmehr der Begriff der Nützlichkeit. Es geht auch um das Verhältnis epistemischer und ästhetischer Erkenntnistechniken (wissenschaftlicher Forschung in Abgrenzung zu künstlerischer Forschung), insbesondere jedoch um das Potential und die Transformation ästhetischen Handelns außerhalb des Kunstfeldes.

Programm

Freitag, 24. September 2010

Eröffnung durch Prof. Jean-Baptiste Joly, Direktor der Akademie Schloss Solitude

Teil I: Theorie Wie und mit welchen Theorien kann das Feld der Kunstforschung fundiert werden? An welche Wissenschaftsdisziplinen muss Anschlussfähigkeit hergestellt werden? Wer entwickelt das Methodenrepertoire? – Prof. Dr. Gernot Böhme, Direktor des Instituts für Praxis der Philosophie, Darmstadt – Dr. Simon Grand, Institut Design- und Kunstforschung, HGK Basel und RISE Management Research, Universität St. Gallen

Teil II: Methode Emotionale Intelligenz and »embodied knowlegde«: Wie verlaufen künstlerische Forschungsprozesse und welche Methodenkompetenz kann daraus gewonnen werden? Handelt es sich um wissenschaftlich-textbasierte oder ästhetisch-materialbasierte Erkenntnistechniken? – Dr. des. Jutta Voorhoeve, Kunsthistorisches Institut in Florenz – Max-Planck Institut – Prof. Dr. Martin Tröndle, Lehrstuhl für Kulturbetriebslehre und Kunstforschung, Zeppelin University, Friedrichshafen

Projektpräsentationen Laufende und neu entstandene Projekte im Feld der »artistic research« stellen in kurzen Präsentationen ihre Ideen und Forschung vor. – Dr. habil. Jens Badura, Schwerpunkt Wissenschaft & Kunst, Universität Mozarteum Salzburg – Prof. Dr. Karen van den Berg, Lehrstuhl für Kulturmanagement und inszenatorische Praxis, Zeppelin University, Friedrichshafen / Prof. Sibylle Omlin, Direktorin der ECAV Schule für Gestaltung Wallis, Sierre – Mari Brellochs, GfKFB Network for Artistic Research, Berlin – Julian Klein, Institut für künstlerische Forschung, Berlin – Dr. Birte Kleine-Benne, artLABOR e.V., Hamburg – Prof. Heike Klussmann, Fachgebiet Bildende Kunst, Universität Kassel – Prof. Dr. Claudia Mareis, Theorie und Geschichte der Designforschung, Hochschule der Künste Bern – Prof. Hannes Rickli, Institut für Gegenwartskünste, Zürcher Hochschule der Künste –

Renate Quehenberger, QC-Projekt-Präsentation,  Medientheorie, Universität für angewandte Kunst Wien –

Teil III: Organisation Wie können künstlerische (per se »subjektive«) Kompetenzen in eine (»intersubjektive«) Wissenschaftsumgebung eingebracht werden? Wie kann transdisziplinäre Forschung wirksam sein, so dass wissenschaftliche und künstlerische Methoden kombiniert angewandt werden? Welche Probleme entstehen in solchen Prozessen? – Prof. Ursula Bertram, Zentrum für Kunsttransfer, ID factory, Technische Universität Dortmund – Prof. em. Dr. Wolfgang Krohn, Institut für Wissenschafts- und Technikforschung, Universität Bielefeld

Samstag, 25. September 2010

Teil IV: Transfer Wie können die Ergebnisse der Kunstforschung gesichert werden? Sind die intersubjektive Produktion und Distribution von gesichertem Wissen und die ästhetische Erkenntnis zwei sich ausschließende Prinzipien? Welche Methoden der »Zitation« wären zu etablieren? Wie und wo findet eine Wissensspeicherung statt? – Prof. Adelheid Mers, Arts Administration and Policy, School of the Art Institute of Chicago – Prof. Henk Borgdorff, Research in the Arts, Royal Academy of Art (KABK), Den Haag; Fakultät für Bildende, Angewandte und Darstellende Künste, Universität Göteborg